Misogynie und patriarchales Denken im Familiengerichtsverfahren

Misogynie und patriarchales Denken im Familiengerichtsverfahren

Ein Hinweis vorab:

Wir wissen, dass es – zum Glück – viele fähige Familienrichter*innen, Jugendamtsmitarbeiter*innen, Verfahrensbeistände und Gutachter*innen gibt, die sehr engagiert ihre Arbeit machen und sich selbst regelmäßig um qualitative Fortbildungen auch zum Themenkomplex familiäre/häusliche Gewalt/sexuelle Gewalt gegen Kinder kümmern.

Leider gibt es auch jene, die diese Kriterien bisher nicht (ausreichend) erfüllen, sowie weitere Ursachen und Gründe, die zu Situationen wie den hier beschriebenen führen: gesetzliche, strukturelle, Ressourcen etc.

Zum fehlenden Fachwissen hinsichtlich der Dynamiken, Machtgefälle und psychischen Auswirkungen von familiärer Gewalt auf die Opfer kommen – oft unreflektierte, bisweilen bewusste – misogyne sowie patriarchale Einstellungen und Überzeugungen der Akteur*innen in familiengerichtlichen Verfahren gegenüber Müttern.

Diese bedienen z.B. oft das Bild der rachsüchtigen Ex, die sich taktisch motiviert Gewalt- oder Missbrauchsvorwürfe ausdenken würde, um dem Vater zu schaden.

Verschiedenste Erhebungen haben das wiederholt widerlegt:

Falschbeschuldigungen kommen in diesen Fällen genauso selten vor wie in anderen Rechtsbereichen auch – zwischen 0.5 und 3%.

Trotzdem sind Mütter erschreckend oft mit diesen Unterstellungen durch Verfahrensbeteiligte konfrontiert. Dennoch halten sich solche misogynen Mythen hartnäckig in den Köpfen von Fachleuten wie in der Öffentlichkeit.

Selbst in Fällen eindeutig dokumentierter Gewalt greift regelmäßig das Frauen diskreditierende Stereotyp, die Frau trage eine Mitschuld daran, wenn ihr Gewalt angetan wurde oder sie das über eine lange Zeit ertragen hat.

Auf zwei Anzeigen wegen häuslicher Gewalt kommen 8 nicht-angezeigte Fälle: Die Dunkelziffer liegt bei 80 Prozent. Diese nicht-angezeigten Gewaltfälle landen nach Trennung, wenn gemeinsame Kinder existieren, sehr verlässlich vor Familiengerichten und werden „hochstrittig“. Laut Forschung ist der Anteil von Gewaltbeziehungen unter den sog. hochstrittigen Fällen vor Familiengerichten hoch. Dieser Fakt wird bis heute von Akteur*innen an Familiengerichten jedoch zu oft ignoriert oder ist ihnen nicht bekannt.

Im Gericht wird zudem regelmäßig von einem “Auswahlverschulden” der Frau gesprochen, schließlich habe sie sich für diesen Mann entschieden.

Solche misogynen Stereotype und Täter-Opfer-Umkehr gegen die Frau haben mit der Realität von Gewaltbeziehungen, ihren Dynamiken und Abhängigkeiten nichts zu tun. Sie diskriminieren stattdessen Mütter aufgrund ihres Geschlechts – mit weitreichenden Folgen.

Die weitreichenden Folgen der Misogynie am Familiengericht

Diese Narrative und Überzeugungen sind bis heute bei vielen Akteuren in familiengerichtlichen Verfahren tief verankert. Erste internationale Studien haben inzwischen einen eindeutigen Gender Bias zulasten von Müttern in familiengerichtlichen Verfahren ergeben, wenn sie auf vorgefallene Gewalt gegen sich und/oder ihre Kinder verwiesen.

Die häufige Folge: den Hinweisen auf Gewalt gegen Mutter oder Kinder wird nicht nachgegangen, stattdessen die Frau als unfähig, feindselig und störend dargestellt, deshalb als „bindungsintolerant“, „entfremdend“ oder „erziehungsunfähig“ stigmatisiert und infolgedessen für die Kinder entweder großzügige Umgänge angeordnet oder sie werden vom Gericht sogar ganz zu Tätern zwangsumgesiedelt.

Dass Kinder durch miterlebte Gewalt nachweislich genauso traumatisiert werden als würde sie ihnen selbst angetan, wird nicht berücksichtigt.

Misogynie in familiengerichtlichen Kontexten schädigt die Frauen also nicht nur ein weiteres Mal, Misogynie führt auch zu mangelhaftem Kinderschutz.

Beispiele misogyner sowie patriarchaler Überzeugungen von Verfahrensbeteiligten gegenüber Müttern aus unserer Arbeit mit Betroffenen:

“Wegen der Gewalt des Kindsvaters gegenüber der Kindsmutter in der Ehe haben sich bei ihr Vorbehalte gegen den Kindsvater entwickelt, die sie unbewusst ausstrahlt.

Deshalb liegt bei ihr nur eine eingeschränkte Erziehungsfähigkeit vor.”

Gutachterin
***

“Es geht um das Recht des Vaters, nicht um das Kindeswohl. Trennungskinder müssen vieles machen, was sie nicht wollen.”

Richterin
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“In welchem Jahrhundert leben Sie, dass Sie noch ein Problem mit Kinderpornografie haben?!”

OLG-Richter, 2015
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“Wenn Sie therapeutische Unterstützung brauchen, sind Sie erziehungsunfähig.”

Richter
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“Ein gewalttätiger oder drogenabhängiger Vater ist immer noch besser als gar keiner.”

Jugendamtsmitarbeiter
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“Ohne biologischen Vater kommt das Kind später in die Psychiatrie oder ins Gefängnis.”

Richter am Amtsgericht
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“Die Vergewaltigung ist doch nun schon ein Jahr her. Wenn Sie darauf immer noch herumreiten, muss ich Sie als nachtragend ansehen.”

Richterin
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“Dass er das eine Kind geschlagen hat, heißt nicht, dass er auch das andere schlägt.”

Jugendamtsmitarbeiter
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“Wenn Sie nicht mit dem Vater kooperieren, sorge ich dafür, dass Ihr Kind ins Heim kommt.”

Verfahrensbeistand
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“Goebbels war auch ein guter Vater.”

Gutachter
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“Was haben Sie denn Ihrem Ex-Mann gesagt, dass er so ausgerastet ist? Eine Anzeige ist doch wohl unnötig gewesen. Das hätten Sie im Elterngespräch klären können.”

Jugendamtsmitarbeiter
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“SIE sind von ihm vergewaltigt worden, nicht das Kind.”

Jugendamtsmitarbeiterin
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“Ob das Kind Hunger hat, entscheidet der Vater.”

Mediatorin
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“Sie haben einverstanden zu sein, wenn der Vater etwas will!”

Jugendamtsmitarbeiter
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“Das kann Ihnen egal sein, ob das Kind beim Vater was zu essen bekommt oder nicht.”

Verfahrensbeistand
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“Ein Kind hat kein Recht auf perfekte Eltern. Man kann an Schlägen auch wachsen.”

Verfahrensbeistand
***

Der Vater hat das wenige Wochen alte Baby massiv geschüttelt:

“So schlimm kann es nicht gewesen sein, das Kind lebt ja noch.”

Richterin

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